...heißt ein neuer Film, der gestern in den Kinos anlief. Ich gebe es ehrlich zu, als ich den Trailer zum ersten mal gesehen habe, habe ich geschluckt und bin auch etwas erschrocken.
Es ist die Verfilmung des Jugendbuches von Raquel J.Palacio, ausgezeichnet mit dem deutschen Jugendliteraturpreis, seit Jahren auf der Bestsellerliste der New York Times, es wurde über 1 Million mal verkauft und in bisher 7 Sprachen übersetzt.
In erster Linie handelt die Geschichte von August, kurz Auggi genannt. Er kam wegen eines Gendefekts mit einem deformierten Gesicht auf die Welt, nach 27 Operationen konnte er sehen und hören, aber sein Gesicht ist weiterhin entstellt. Bis er 10 Jahre alt ist unterrichtet ihn seine Mutter zu Hause, sein Vater bringt ihn immer wieder zum Lachen und seine Schwester Via (Olivia) liebt ihren Bruder, fühlt sich zeitweise aber unsichtbar, sie beschreibt es so: Auggi ist wie die Sonne, wir alle kreisen um ihn. Nicht zu vergessen den Hund Daisy.
Jetzt soll er aber auf eine normale Schule wechseln und nicht nur er hat Angst vor den Reaktionen und was ihn da erwartet, seiner Mutter geht es genauso. Als sie ihn zur Schule begleitet, konnte ich ihre Gefühle ziemlich gut nachvollziehen. Er wird gemobbt, findet aber dann doch Freunde. Das passiert aber nicht so wie man es vielleicht von Hollywood Filmen gewohnt ist. Was ich so toll an dem Film finde ist, dass er die verschiedenen Charaktere beleuchtet, ihre Gedanken und Gefühle aus ihrer Sicht darstellt. Aber schaut mal selbst, ich kann das gar nicht so gut beschreiben ;-) :
Viele Szenen haben mich sehr berührt, da ich sie ähnlich schon erlebt habe. Zum einen weiß ich selbst wie man sich fühlt wenn man gemobbt wird. In der Schule habe ich Sprüche gehört wie: "Deutsche Panzer rollen wieder", oder "macht mal Platz, sonst kommt die nicht vorbei". Jahrelang hab ich wirklich gedacht, ich stinke, ich hab mich ins hinterste Eck vom Schulbus gedrückt und gehofft, dass man mich nicht sieht. Eine Situation werde ich auch nie vergessen...ich weiß nicht mit was aber ich habe kleine Stromstöße von jemanden hinter mir bekommen. Immer zwischen den Sitzen hindurch kam so was wie ein Draht. Ich hab so getan als ob ich das nicht spüre, aber als ich endlich zu Hause war, bin ich erst mal in mein Zimmer und hab geheult. Ok, das ist jetzt ca 30 Jahre her, aber so was vergisst man nicht. (Und ich kann euch immer noch die Namen sagen und ich würde lügen wenn ich mich nicht ein bisschen drüber freuen würde wie die jetzt aussehen :-D )
Zum anderen erlebe ich es jetzt als Mutter einer kleinen Tochter, die nicht der "Norm" entspricht. Wir werden öfter angestarrt, Kinder laufen weg oder rümpfen die Nase, möchten nicht von Agnes berührt werden, fangen an zu lachen, fragen "warum sie denn so ein dickes Gesicht und kleine Augen hat" oder warum sie sooo komisch läuft. Erst letzte Woche lief ein Junge vor ihr im Wartezimmer weg, ich sah die Mutter an, und sie drehte sich selber weg und sah an die Decke. Es kommt immer auf meine Tagesform drauf an wie ich reagiere. Ich versuche nichts in Situationen hinein zu interpretieren, mich auf die anderen positiven Reaktionen zu konzentrieren, aber manchmal, ja da werfe ich einen bösen Blick zurück. Und glaubt mir, ich kann böse schaun. Natürlich guckt man erstmal wenn man etwas ungewohntes sieht, wenn man noch nie einen Menschen mit Down Syndrom gesehen hat sieht man wohl automatisch zweimal hin. In solchen Momenten würde ich mir einfach nur wünschen, dass man mit dem Herzen sehen kann, dass man sich öffnet für "Anderes", dass man das Lachen sieht, diese Power die in diesem kleinen Persönchen steckt, ihre Anteilnahme, Hilfsbereitschaft und ihre Sensibilität. Denn auch wenn es manchmal so aussieht, als würde sie es nicht merken...sie tut es. Und dann blutet mein "Mamaherz". Mir wurde schon gesagt, ich würde sie zu sehr beschützen, uns beide unter eine Käseglocke verstecken. Das mag am Anfang so gewesen sein. Inzwischen gehen wir sehr viel raus, sind unterwegs, zeigen uns.
ABER...ich ziehe auch Grenzen. So wie zb in der Tanzschule. Es hat ihr Spaß gemacht, ja, aber nach über einem Jahr war sie immer noch nicht in der Gruppe integriert. Ich bekam mehr als einmal gesagt, dass es schon ein bisschen schwierig sei, da sie halt nicht immer das macht was die anderen machen und so ein bisschen den Fortschritt der anderen hemmen würde. Außerdem hat es mir auch gereicht, jede Woche immer wieder ein und der selben Mutter Rede und Antwort zu stehen. Immer wieder die gleichen Fragen: wie es denn wäre mit so einem "kranken" Kind zu leben, welchen Grad von "Down Syndrom " sie denn hätte, auf welchem Entwicklungsstand sie denn jetzt sei usw.. Ich beantworte gerne diese Fragen, aber doch nicht jede Woche die gleichen! Das i-Tüpfelchen war dann : Ich bin ja zuständig für die Verteilung von Geldern für so kulturelle Sachen, ich hab auch schon was für so eine Theater AG für so kranke Menschen gegeben ...HILFE!!!! Vielleicht hat der Umstand dass sie damals auf zuckerfreier Diät war etwas damit zu tun. Hab mal gehört, Zucker wäre wichtig fürs Gehirn ;-)
Mich treibt ja wieder / immer noch die Schulfrage um. Hatte ich mich letztes Jahr dann doch für die Förderschule mit Aussenklasse ( tschuldigung, ich meine natürlich : Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum) entschieden, wurde durch den Downsyndrom Kongress alles ins Wanken gebracht. So viele sprachen sich für Inklusion an Regelschulen aus, ich las ganz viele Erfolgsgeschichten von Familien, die inklusiv beschult haben usw. Sind meine eigenen Grenzen etwa zu eng gesteckt? Traue ich Agnes zu wenig zu? Sollte man (ich) es nicht wenigstens probieren?
Der Kopf sagt : JA, aber mein Herz sagt etwas anderes...wie sieht das praktisch aus? Die anderen 25-30 Kinder lesen und sie malt Kreise auf ihrem Blatt daneben? Sie kann nicht so lange still sitzen und läuft dann rum, die anderen stören sich daran und meiden sie? Steht sie dann am Schulhof alleine mit ihrer Schulbegleitung ? Sie kann sich noch nicht gut verständigen, die anderen verstehen schlecht was sie sagen möchte. ..keine gute Voraussetzung für Kinder in dem Alter oder? Klar kann es anders laufen...aber was wenn nicht? Sie kann mir dann ja nicht mal erzählen wenn etwas vorgefallen ist. Ich würde es nur an ihrer Körpersprache erkennen und an ihrer Stimmung. Und soll ich sie wirklich solchen Situationen aussetzen? Mir ist schon bewusst dass ich sie nicht mein ganzes Leben lang beschützen kann, dass sie auch lernen muss mit solchen Sachen umzugehen..aber in welchem Maß?
Ich höre mich weiter um, frage bei anderen nach wie es da läuft, und am Ende werde ich auf mein Herz hören und schauen dass Agnes Spaß hat, etwas lernt und aufs Leben vorbereitet wird. Schule ist ja auch nicht alles, es gibt ja immer noch ihre Familie und andere Bezugspersonen, es liegt an uns, wie wir die Freizeit gestalten. Und da wird es auch in Zukunft nicht langweilig werden.
So..jetzt wünsch ich Euch aber einen schönen Sonntag, danke fürs "Dranbleiben" :-)
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